Steinbach am Glan (Rheinland-Pfalz)

Kusel: Europe's Belle Epoque in colour - Europa1900 Bildergebnis für landkreis kusel karte Steinbach/Glan – mit derzeit ca. 900 Einwohnern - ist heute ein Teil der Verbandsgemeinde Oberes Glantal im rheinland-pfälzischen Landkreis Kusel – ca. 30 Kilometer westlich von Kaiserslautern bzw. wenige Kilometer nordöstlich von Brücken gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Steinbach, aus: europe1900.eu  und  Kartenskizze 'Kreis Kusel', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die Ortschaft Steinbach am Glan war im 19.Jahrhundert das Zentrum jüdischen Lebens in der Westpfalz; fast jeder dritte Einwohner des im Volksmund genannten „Juden-Steinbach“ war damals mosaischen Glaubens.

Der Schutzbrief des Juden Jakob Levi aus dem Jahre 1728 - ausgestellt durch den Herrn des Amtes Münchweiler, Carl Caspar Graf von und zu der Leyen - ist der erste schriftliche Beleg für die Ansässigkeit von Juden in Steinbach am Glan; doch bereits Jahrzehnte zuvor müssen jüdische Familien hier gelebt haben.

In dem Schutzbrief für Jakob Levi hieß es:

Carl Caspar Graf Von und zu der Leysen. Herr zu Hohengerolseck, Adendorff, Bliescastel .....

Nachdemahlen bey mir Jacob Levi Jud von Steinbach Unterthänig ahn Zeiget, wie daß er sich in den Ehestandt zu begeben, und nachher gewieß in Meiner Herrschaft Münchweiler sich häußlich niederzulaßen entschlossen, mithin inständigst gebetten, daß ihm schutz und geleith in gnaden ertheilt werden möge, ... ..., daß er zum Einstand Neun gulden, sodan jeden Jahrs ahn Schutzgeld Zehn gulden ahn zahlbahr zu meiner Rentmeisterey nach Bliescastel Zahlen, mit keinen anderen wahren aber Handeln solle, als womit die Christen in bewärter meiner Herrschaft kein Handelschaft treiben. ...                                                   

Coblentz, 23.Mertz 1728

In der Folgezeit entwickelte sich die Ortschaft Steinbach zu einem Zentrum jüdischen Lebens im Münchweiler Tal. 1725 wurde ein Bethaus in Steinbach errichtet, eine der frühesten Synagogen jüdischer Landgemeinden der Pfalz. Das Gebäude stand an der Hauptstraße und verfügte neben 90 Männerplätzen auch über etwa 50 Frauensitze auf den Emporen.

                    Synagoge in Steinbach (Aufn. 1945, Landesamt)

Zur Kultusgemeinde zählten auch die jüdischen Familien aus Münchweiler, Börsborn, Nanzweiler und Haschbach; nach 1870 stießen auch die wenigen Juden aus der aufgelösten Gemeinde Brücken hinzu.

Religiöse Aufgaben der Gemeinde besorgte ein angestellter Lehrer, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.

1838 wurde am Ort - damals waren fast 30% der Einwohner Juden - eine israelitische Elementarschule eingerichtet, die fast 80 Jahre Bestand hatte. In Fragen der Finanzierung eines Schulneubaus kam es mit der christlichen Bevölkerungsmehrheit und den lokalen Behörden zu Streitigkeiten.

Gegen Mitte der 1820er Jahre wurde „Auf den vier Eichen”, nördlich von Steinbach, ein eigener Begräbnisplatz angelegt, auf dem in der Folgezeit auch verstorbene Juden aus umliegenden Gemeinden wie Bettenhausen, Börsborn oder Brücken beigesetzt wurden. Zuvor mussten die Verstorbenen auf einen weit von der Ortschaft gelegenen Friedhof in Gries gebracht werden.

Die Kultusgemeinde gehörte zum Rabbinatsbezik Zweibrücken.

Juden in Steinbach/Glan:

         --- 1804 ...........................  60 Juden,

    --- 1808 ........................... 116   “  ,

    --- 1825 ........................... 145   “  (ca. 29% d. Bevölk.),

    --- 1837 ........................... 184   “  ,

    --- 1848 ........................... 217   “  (in 44 Familien),

    --- 1875 ........................... 172   “  ,

    --- 1900 ........................... 119   “  ,

    --- 1907 ...........................  82   “  ,

    --- 1933 ...........................  35   “  ,

             ...........................  79   “  ,*     * gesamte Kultusgemeinde

    --- 1936 ...........................  66   “  ,*

    --- 1937 (Dez.) ....................  48   “  ,*

    --- 1938 ...........................  13   “  ,

             ...........................  41   “  ,*

    --- 1939 (Sept.) ...................   4   “  ,

    --- 1940 (Nov.) ....................   keine.

Angaben aus: Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden, S. 212

und                 Erhard v. Bose, Steinbach am Glan - Judensteinbach

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts lebten etwa die Hälfte der Steinbacher Juden als „Handelsmänner“, zumeist als Viehhändler; neun Familienoberhäupter waren als Krämer, acht weitere als Makler tätig. Die Juden Steinbachs gaben dem Ort sein wirtschaftliches Gepräge: So gründete Isidor Triefus Ende der 1880er Jahre in der Neumühle die erste Diamantenschleiferei; fortan entwickelte sich die Ortschaft zu einem Zentrum der Diamantenindustrie.

      Isidor Triefus (1845-1919)

Nach 1850 ging der jüdische Bevölkerungsanteil von Steinbach und Umgebung immer mehr zurück; Auswanderung, meist in die USA, und Abwanderung in größere Städte waren die Gründe.

Nach der NS-Machtübernahme 1933 soll sich am einvernehmlichen Verhältnis zwischen christlicher und jüdischer Bevölkerung zunächst nichts geändert haben; erst die andauernde antisemitische Hetze führte dazu, dass zwischen 1935 und 1937 ein Teil der verunsicherten jüdischen Dorfbewohner emigrierte. Von ihrem Lehrer aufgehetzte Steinbacher Schüler schändeten 1935 den hiesigen jüdischen Friedhof: sie warfen Grabsteine um und zerschlugen einige Grabplatten.

Während des 10.November 1938 verwüsteten Homburger SA-Angehörige das Synagogengebäude: Fenster wurden aus dem Mauerwerk gerissen und das Dach teilweise zerstört. Nach dem Abzug des SA-Trupps schleppten NS-Sympathisanten die zerschlagene Inneneinrichtung der Synagoge und Teile von jüdischen Wohnungseinrichtungen auf das Gelände einer Kohlengrube und zündeten diese an.

                 Im Gendarmeriebericht vom 13.11.1938 hieß es dazu:

Bei der Judenaktion am 10.11.1938 wurde in der Zeit von 10 - 12 Uhr die Synagoge in Steinbach a.Gl. demoliert. Die Beamten der Gend.-Station Glan-Münchweiler erhielten erst im Laufe des Nachmittags ... von der Demonstration ... Kenntnis. Daraufhin begab sich der Unterzeichnete sogleich nach Steinbach a.Gl. Bei seinem Eintreffen ... war die Demonstration beendet und die Demonstranten nicht mehr anwesend. Wer sich an der Demonstration beteiligt hat, ist der Gendarmerie nicht bekannt. Die Demonstranten sollen von auswärts gewesen sein. ... Daß Plünderungen vorgekommen sind, ist nicht bekannt.”

1939 fiel das ehemalige Synagogengrundstück an die Kommune, anschließend ging es an einen Privatmann, der das teilzerstörte Gebäude zu einem Wohn- und Geschäftshaus ausbaute.

Im Oktober 1940 wurden die letzten vier jüdischen Ortsbewohner ins südfranzösische Gurs deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 16 (?) aus Steinbach stammende bzw. hier längere Zeit ansässig gewesene Juden Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/steinbach_glan_synagoge.htm).

 

Auf dem Gelände des ca. 2.000 m² großen israelitischen Friedhofs in Steinbach - er wurde von 1826 bis 1938 bzw. 1945 belegt - sind noch mehr als 200 Grabsteine zu finden. 1979, 1986 und 1993 wurden hier Grabdenkmäler umgestürzt und teilweise beschädigt; die Täter konnten nicht ermittelt werden.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20299/Steinbach%20Glan%20Friedhof%20180.jpg

 jüdisches Friedhofsgelände (Aufn. P. 2021, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0  -  Jüdisches Museum Steinbach  -  J. Hahn, 2011)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20299/Steinbach%20Glan%20Synagoge%20270.jpg Gemeinsam mit der Nachbargemeinde Brücken wurde im November 1988 in der Ortsmitte ein Gedenkstein enthüllt, der den folgenden Text trägt:

Vergessen-Wollen verlängert das Exil

Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung

Im Gedenken an die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

verfolgten Bürger der Jüdischen Kultusgemeinde Steinbach

und zur Erinnerung an die am 9.November 1938 geschändete Synagoge.

 

Das ehemalige Synagogengebäude ist in seiner Baustruktur erhalten geblieben und wird heute als Wohn- und Geschäftshaus genutzt.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20299/Steinbach%20Glan%20Synagoge%20274.jpg Ehem. Synagogengebäude (Aufn. J. Hahn, 2011)

Seit 2000 dokumentiert eine Dauerausstellung im kleinen neu geschaffenen Jüdischen Museum (Heimatmuseum Steinbach in der Lindenstraße) die mehr als 200 Jahre alte jüdische Geschichte der unmittelbaren Region. Getragen wird das Museum von dem 1989 gegründeten Heimatverein und der Ortsgemeinde.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20299/Steinbach%20Glan%20JuedMuseum%20180.jpgDie Synagoge in Steinbach am Glan (VG Glan-Münchweiler, Kreis Kusel) aus: alemannia.judaica.de

Auf dem Wanderweg „Jüdische Kultur“ befindet sich nahe des Jüdischen Museums seit 2021 eine knapp drei Meter hochaufragende metallene Menora-Skulptur des Künstlers Gottfried Bräunling.

            Die Menora-Skulptur des Künstlers Gottfried Bräunling steht nun mitten in Steinbach, nahe des Jüdischen Museums. Die Edelstahlko Menora-Skulptur (Aufn. A. Böhm, 2021, aus: rheinpfalz.de)

 

 

 

Nördlich der Ortschaft Gries - heute Teil der Verbandsgemeinde Oberes Glantal - gab es einen jüdischen Friedhof, der um 1700 angelegt und bis in die 1820er Jahre genutzt wurde. Auf dem ca. 1.200 m² großen Areal, das Verstorbene aus Steinbach/Glan, Bettenhausen, Brücken, Börsborn, Haschbach und Waldmohr aufnahm, gibt es heute keine Grabsteine mehr. Nur der Flurname „Judengraben“ erinnert heute noch an dessen einstige Bestimmung. Auf dem Gelände befindet sich heute eine Obstplantage.

 

 

 

Weitere Informationen:

Hermann Arnold, Juden in der Pfalz - Vom Leben pfälzischer Juden, Pfälzische Verlagsanstalt, Landau 1986

Stephan M. Probst, Zur Geschichte der Juden im Landkreis Kusel, in: "Westrich-Kalender Kusel 1988", S. 72 f.

Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden. Vom Untergang ihrer Gotteshäuser und Gemeinden, Eigenverlag 1988, S. 210/212

Roland Paul, Der jüdische Friedhof in Steinbach, in: "Westricher Heimatblätter", 1989

Alfred Hans Kuby (Hrg.), Pfälzisches Judentum gestern und heute - Beiträge zur Regionalgeschichte des 19./20.Jahrhunderts, Verlag Pfälzische Post, Neustadt a.d. Weinstraße 1992

Erhard v. Bose, Steinbach am Glan - Judensteinbach, Steinbach 2000

Roland Paul, Aspekte zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Steinbach am Glan im 19. und 20.Jahrhundert, in: Erhard v. Bose, Steinbach am Glan - Judensteinbach, Steinbach 2000, S. 13 - 16

Josef Wintringer, Die Synagoge in Steinbach, in: "Westricher Heimatblätter", No. 35/2004, S. 17 - 24

Ernst Schworm, Die jüdische Schule in Steinbach, in: "Westricher Heimatblätter", No. 35/2004, S. 101 - 109

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 360/361

Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 152

Steinbach/Glan mit Glan-Münchweiler, Bettenhausen und Börsborn, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Jüdisches Museum Steinbach am Glan – Geschichte der Juden in Steinbach und Umgebung, online abrufbar unter: j-museum.vg-glm.de/start.htm

Verbandsgemeinde Oberes Glantal (Bearb.), Jüdisches Museum, online abrufbar unter: vgog.de/vg_oberes_glantal/Tourismus/Museen/Jüdisches Museum in Steinbach am Glan/

Herwig Buntz (Red.), Ein Denkmal für den Wanderweg Jüdische Kultur, in: „Die Rheinpfalz“ vom 18.11.2020

Astrid Böhm (Red.), Tipps für die Ostertage: Neue Wanderwege erkunden, in: „Die Rheinpfalz“ vom 31.3.2021 (betr.auch Menora-Skulptur - Wanderweg Jüdische Kultur)

Regina Wilhelm (Red.), Zwei Bücher über das jüdische Leben im Oberen Glantal, in: „Die Rheinpfalz“ vom 15.11.2021